Kirche „Johannes Enthauptung“ in Lauter

Schädelecken kommen für gewöhnlich im naturwissenschaftlichen Bereich vor, wenn es um Dinosaurierknochen oder Ähnliches geht. Dass sie allerdings auch Daseinsberechtigung im architektonischen Bereich haben, diese Schädelecken, beweist uns die Architektur der Lauterer Kirche „Johannes Enthauptung“.

Als Schädelecken bezeichnen die Lauterer, so die Auskunft von Rudolf Schubert, die dreieckige Dach- und Fensterform der Kirche, die nach dem Architekten Schädel, der 1974 sich für den Umbau der Kirche in Lauter verantwortlich zeichnete, benannt wurde. Nun, das sollte man sich mal genauer ansehen.
Schon rein äußerlich betrachtet gilt das Lauterer Gotteshaus als eine aus mehreren Gebäuden zusammengesetzte Kirche und man kann sich das Innere kaum vorstellen. Betritt man die Kirche, umfängt einen das Ambiente eines frisch renovierten, einladenden Gebetssaales in dem 240 Personen Platz finden. Man fühlt sich auf Anhieb wohl, denn sämtliche Farben an Wänden, Pfeilern und Ecken sind auf einander abgestimmt, was das eindringende Tageslicht durch die bunten Fenster wohltuend unterstreicht. Hier ist man gefangen von einer bestechenden Einfachheit, die einen Platz zum Innehalten, Verschnaufen und zur Zwiesprache bietet. Unwillkürlich bleibt einer der ersten Blicke an der „Lächelnden Madonna“ hängen, denn es sind nur wenige Heiligenfiguren in dem schlichten Innenraum platziert.
Die „Lächelnde Madonna“ ist es auch, die die Kirche Lauter weit über die Grenzen des Marktes hinaus bekannt gemacht hat. Sogar von Busgruppen erzählt der ehemalige Lehrer Rudolf Schubert, die er hin und wieder durch die Kirche führt. Der Überlieferung durch den Poppenrother Pfarrer Georg Bleymann nach soll die Skulptur der „Lächelnden Madonna“ 1914 auf einer Höhe am Ortsverbindungsweg zwischen Stralsbach und Frauenroth an der Abzweigung nach Aschach aufgefunden worden sein. Es wird vermutet, dass der Stralsbacher Pfarrer in seiner Filialkirche Lauter das Kunstwerk hat aufstellen lassen, an dem sowohl der Kopf als auch die Hand des Kindes fehlten. Später, so erzählt Rudolf Schubert, hat ein Lauterer Bauer beim Beackern seines Feldes den Kopf des Jesusknaben gefunden, den ein Maurer aus Lauter wieder angebracht hat. Kunsthistorisch betrachtet ist nie richtig geklärt worden, wer die Madonna wo geschaffen hat. Der Stil des Künstlers ist dem burgundischen Bildhauerstil des 13. Jahrhunderts zuzuordnen, der die reich verzierte Skulptur vermutlich im Kloster Frauenroth im Auftrag der Beatrix von Courtenay anfertigte. Sie war die französische Frau von Graf Otto von Henneberg, der sich später Graf Otto I. von Botenlauben nannte. Wie allerdings die „Lächelnde Madonna“ ihren Weg vom Kloster Richtung Stralsbach genommen hat, ist völlig unbekannt und kann nur spekulativ mit der Plünderung des Klosters Fraueneroth während des 30jährigen Krieges (1618-1648) in Verbindung gebracht werden.
Die Heiligenfiguren im Inneren
Wäre es nach dem Ansinnen der verantwortlichen Baumeister und kirchlichen Würdenträger gegangen, gäbe es in der Lauterer Kirche noch nicht einmal diese wenigen Heiligenfiguren. Rudolf Schubert berichtet davon, dass man im Zuge des Kirchenumbaus 1974 das alte Inventar sowie den alten Altar verbrannte. Nur seinem umsichtigen Eingreifen ist es zu verdanken, dass zum Beispiel die beiden Heiligenfiguren St. Nikolaus und St. Blasius, beide übrigens aus Lindenholz geschnitzt, bis in die heutige Zeit erhalten sind. Rudolf Schubert hat die beiden Figuren in seinem Haus aufbewahrt und im Zuge der Renovierung der Kirche vor einigen Jahren restaurieren lassen. Heute haben sie ihren Platz an der linken Seite des Gotteshauses gefunden.
Den Altarraum der Kirche Johannes Enthauptung ziert ein einfaches Holzkreuz. Ebenso sind der Altartisch, das Tabernakel und das Podium, allesamt aus Stein, eher schlicht gehalten. Sie hat der eigens damit beauftragte Bergtheimer Bildhauer Karl Hornung Mitte der 70er Jahre ebenso wie den steinernen Baldachin der „Lächelnden Madonna“ angefertigt.
An der rechten Innenseite der Kirche fällt einem eine ganz besondere Darstellung des Kreuzweges auf. Ursprünglich nahm man an, dass es sich hierbei um Hinterglasmalerei handelte. Inzwischen wurde herausgefunden, dass die Bilder ganz normal auf Papier gemalt und hinter Glas gelegt wurden, weiß Rudolf Schubert zu berichten. Als weitere Besonderheit verweist er auf das Filigrane und farbliche schlichte Erscheinungsbild der Kreuzwegstationen, die seiner Meinung nach von einem Porzellanmaler angefertigt wurden. Im hinteren Teil der Kirche befinden sich links und rechts neben dem Portal zwei prächtige Marienfiguren, wobei eine davon mit der Inschrift „Liebe Frau vom heiligsten Herzen“ als Tragemadonna zu Prozessionen und kirchlichen Hochfesten verwendet wird. Die andere Madonna stammt aus der Rokoko-Zeit und wurde sogar schon einmal aus der Kirche, als sie im Dachboden gelagert wurde gestohlen.

Weiterhin befindet sich im vorderen Teil der Kirche eine Holzfigur, die den Namenpatron Johannes der Täufer darstellt und vom Lauterer Erwin Manger gestiftet wurde. Zwar hat man, wenn man sich mit dem Leben des Hl. Johannes befasst eine andere Vorstellung vom Aussehen des Heiligen, aber in der Münchner Pinakothek findet man ein altes Gemälde (um 1470) von Dietrich Bouts, dem Jüngeren, das Johannes ebenfalls mit Schaf und Buch in ähnlicher Pose darstellt.
Ein kurzer geschichtlicher Abriss
Bis zu Beginn des 18. Jahrhundert gehörte Lauter zusammen mit Katzenbach als Filialdorf zur Pfarrei Stralsbach. Als aber 1714 die Katzenbacher eine eigene Kirche bauten, trennte man sich. In Lauter wurde ein Betsaal mit einer sehr kleinen Orgel eingerichtet. Taufen, Hochzeiten und Totenmessen wurden allerdings weiterhin in Stralsbach abgehalten. 1844 wurde eine kleine Kirche mit Schulsaal und Lehrerwohnung von der Gemeinde Lauter selbst erbaut. 1876 wird im Zuge der Erweiterung der Kirche der Kirchturm errichtet. 1974 wurde nach fast 15 Jahren Vorarbeit und Planungsphase, die immer wieder von problematischen Situationen und Widrigkeiten unterbrochen wurde, die jetzige Kirche erbaut, wobei der Kirchturm aus dem Jahr 1876 weitestgehend erhalten wurde. Die Kirche selber ist im Baustil der 70er Jahre, mit viel Beton und den bereits erwähnten Schädelecken ausgestattet. Die bunten Fenster hat ein Künstler geschaffen und zwar der 1997 verstorbene Hammelburger Robert Höfling. 1989/90 wurde die neue Orgel installiert und 3 neue Glocken angeschafft.
Auch in Katzenbach habe ich einen ganz besonderen Menschen getroffen, der mir die Geheimnisse und Geschichte „seiner“ Kirche offenbarte. Lieber Rudolf Schubert haben Sie herzlichen Dank für ihre Bemühungen, Erklärungen und Kopien wichtiger Zeitdokumente.
Wissenswertes aus der Kirchengemeinde Johannes Enthauptung: In Lauter sind 590 Einwohner zu Hause. Der Pfarrgemeinderat setzt sich aus sieben Mitgliedern zusammen, wobei als Vorsitzende Christa Amrhein tätig ist. Das Amt des Kirchenpflegers übt Matthias Lang aus.
Blättert man im Heiligenlexikon, erfährt man, dass Johannes der Täufer als Asket in der Wüste lebte und enthauptet wurde, weil er als Bußprediger öffentlich König Herodes Antpas Verhältnis mit dessen Schwägerin Herodias anprangerte. Das Patronatsfest wird am 29. August gefeiert. Weiterhin ist eine alte Bauernregel überliefert: Wenn´s an Johanni Enthauptung regnet, verderben die Nüsse.
 
Text und Fotos: Kathrin Kupka-Hahn

Fotos: 
Die Lächelnde Madonna von Lauter
Die Neunte und Zehnte Kreuzwegstation
Innenansicht der Kirche
Außenansicht
 
 
 
 
 

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